Nachdem ich bereits ausführlich davon geschrieben habe, wie wir der ungerechten Verteilung an unsichtbarer Arbeit in unserer Beziehung entgegentreten, habe ich beschlossen, dem Thema Mental Load einen monatlichen Abriss zu widmen. Wir schlagen wir uns? Schlagen wir uns schon?
Unsichtbare Mutterschaft ist nicht erst seit Corona ein Problem, obviously. Deswegen hören wir aber nicht auf, an der Umverteilung der Ladung zu arbeiten. Wir haben zwar nur ein Kleinstkind und gerade mehr Sorgen als monetär wertgeschätzte Arbeit. Doch die Sorge um Arbeit verkleinert nicht den Haufen Zeug, der sonst noch so zu tun ist. Wie ist also der April verlaufen, nachdem wir im März unseren Mental Load-Superplan (re)aktiviert haben?
Unsere strenge Arbeitsaufteilung hat erste Wirkungen erzielt
Wir haben uns gut geschlagen. Das Wechselmodell innerhalb unserer Ehegemeinschaft sieht mittlerweile so aus: montags, mittwochs und freitags darf ich arbeiten und den Sonntag teilen wir uns. Dann übernimmt Marcus den Jungen mit allem Pipapo, was so den daily struggle angeht. Das klappt gut. Dazu kommen nach unseren jeweiligen Feierabenden die Haushaltsgeschichten.
Nach unserer Auseinandersetzung darüber, wie solidarisch „Küche aufräumen“ sein sollte, ging es friedlich zu. Dadurch, dass wir derzeit wenig Besuch empfangen, bin ich entspannt, was Flusen angeht und Marcus ist entspannt, dass ich die Wäsche nicht so häufig wie vereinbart wasche. Es stimmt: Manche Dinge müssen habituell werden, dass ich meine Zeit nicht darauf verschwende, auf Offensichtliches hinzuweisen.
Mental Load ist ein bodenloses Fass. Ich finde schon noch was.
Marcus ist heiser vom Spielen mit Mirko, Pina, Haha und Lutz. Rolf und Frank sind out, aber Püppi, Anni und Schnecki mussten wir zeitweise „in den Urlaub“ schicken, weil wir beide einfach nicht mehr konnten.
Ich habe keine Lust, mich den gesamten Tag im Wald zu verstecken und deswegen denke ich mir immer mal was neues zum Basteln oder Spielen aus, ein paar Sachen haben sich bewährt. Seit heute haben wir eine Matschküche auf dem Balkon und Alterschalter, der ist jetzt echt nicht mehr gemütlich. So läuft das: Marcus performt mit vollem Stimm- und Körpereinsatz, ich überlege mir altersgerechte Spiel- und Beschäftigungsideen für Kleinkinder (die ich in meiner freien Zeit in Büchern und Blogs recherchiere).
And there it is: Ist Recherchieren etwa mein Hobby?
Okay, ein bisschen schon. Ich lese gerne nochmal genauer nach. Aber das tut Marcus auch – nur zu völlig anderen Themen. Themen nämlich, die mehr damit zu tun haben, seinen Hunger nach kultureller Zerstreuung zu stillen, als über den Hunger seines Sohnes nachzudenken (ob er an Weintrauben ersticken kann oder ob er mit 18 Monaten wirklich keine Nüsse essen darf).
Dann: Wer hat frühzeitig reagiert und Behelfsmasken besorgt? Moi. Ganz nebenbei in der Apotheke gekauft, weil die Etsy-Masken noch nicht angekommen waren. Wieso mache ich das? Wir gucken beide jeden Tag zusammen die Nachrichten, wir diskutieren jeden Tag die neuesten Ereignisse und Entwicklungen. Wir gehen beide jeden Tag raus und kommen auf dem Weg in den Wald jeden Tag an einer Apotheke vorbei. Warum macht er nicht diesen kurzen Abstecher, als er das Schild sah: „Wir haben wieder neue Masken“? Wieso sucht er nicht abends, wenn der Junge schläft und wir unser Eis gegessen haben, nach Stoffmasken im Internet?
The Question is: What is the question
Würde ich ihn das so fragen, könnte er mir darauf nur mit einem Achselzucken antworten. Das weiß er nicht. Das ist so drin wie es bei mir drin ist, permanent zu scannen, auszuwerten, abzuwägen, on Handlungsbedarf besteht (ja, natürlich) oder ob man da noch mal recherchieren müsste (immer).
Als ich bei Das Nuf gelesen habe, wie bescheiden es ist, gerade in dieser Krisenzeit die Lösung des Mental Load im Privaten abzuladen, um damit nur zu bewirken, dass sich am Ende doch die 50er Jahre durchsetzen, fiel es mir ein: natürlich. Es ist ganz richtig, dass wir versuchen im Privaten nicht die 50er wieder aufleben zu lassen. Aber eine Menschheitsgeschichte von weiblicher Unterdrückung und patriarchale Strukturen lassen sich nicht spontan auflösen durch unsere niedliche Liste. Trotzdem machen wir damit weiter. Das ist kein Grund aufzugeben.
Wir leben in einem System, dass weibliches interfamiliäres Projektmanagement als gottgegeben hinnimmt
Ein System, dass jede Beschwerde darüber mit einem „reg dich wieder ab“ quittiert, stinkt einfach. Natürlich ist es nicht schlimm, einen Umweg zur Apotheke zu machen, aber das ist es für keinen von uns, egal welchem Geschlecht wir uns zugehörig fühlen. Wir haben in unserer Privatheit zwar kein Home Schooling zu verteilen, aber nur eine Hälfte unserer kleinen Elternschaft denkt daran, rechtzeitig Kisten für das sich ansammelnde Bastelzeug zu besorgen, hört beim Kochen Jesper Juul-Hörbücher und informiert sich über die richtige Fahrradhelmgröße, wie man die Schuhgrößen für Kinder ermittelt, sortiert nebenbei Kleidung aus und denkt im DM daran, neue Strumpfhosen zu kaufen.
Es ist nicht so, dass ich das ganz scheiße finde. Im Gegenteil: Ich höre gerne Hörbücher beim Kochen (ich koche auch gerne) und ich kaufe sehr gerne Kinderkleidung. Aber das ist jeweils keine meiner Leidenschaften. Ich kann doch Kinderkleidung super finden und Marcus kann trotzdem wissen, welche Schuhgröße der Junge hat. Er zieht sie ihm jeden Tag an. Manchmal merke ich etwas erst relativ spät: dass die Hose ein Loch hat oder die Schuhe nicht wasserfest sind – Marcus hingegen merkt das, weil er dabei war, als die Hose riss oder weil er sich über die pitschnassen Socken wunderte. Er kommt aber nicht auf die Idee, mir das zu sagen (weil ich die Kleiderkaufbeauftragte in unserer Arbeitsaufteilung bin, yesss) oder die kaputte Kleidung direkt auszusortieren (was seine Aufgabe ist), geschweige denn, schmutzige Sachen in den Wäschekorb zu legen, der direkt neben dem Wickeltisch steht. Direkt daneben. Schon immer.
Trotzdem ist der Wickeltisch beladen mit vollgekackten Bodys. Warum?
Sehr vieles läuft sehr gut bei uns: Die Einschlafbegleitung übernimmt immer Marcus, schon lange, schon noch zu nachtstillenden Zeiten. Ich habe seit 5 Jahren das Katzenklo nicht gereinigt und Marcus weiß definitiv besser darüber Bescheid, wann die Bananen alle sind. Deswegen bin ich auch davon überzeugt, dass das besser wird mit der Umverteilung bei uns. Ich sehe es gar nicht ein, mich geschlagen zu geben. Und ich bin gespannt auf den Krampf in den Mai. Fröhlichen Tag der Arbeit, allerseits.