Ok, nur der RTL-reifen Alliteration wegen „Babys“, so klein ist der Junge ja nicht mehr. Zu jung zum Basteln aber schon noch, zumindest was den Umgang mit Scheren angeht. Trotzdem finde ich, dass basteln mit Kleinkindern Spaß macht – wenn da nicht immer diese Unkenrufe wären.
Auf der Suche nach Basteltipps für Kleinkinder schlug mir Google folgende Suchanfrage vor: „Was basteln mit einem Jungen“. Hä? Basteln Jungen anders? Dürfen sie etwa nur mit blau ausmalen? Kurz geklickt und herausgefunden: Klar, ausschließlich Jungs basteln gerne Flugzeuge aus Eisstilen, Autos aus Klopapierrollen und mögen Star Wars und so weiter. Ich wollte schon aufhören, mich aufzuregen. Denn am Ende war das, was ich zuerst angeklickt habe, doch nur irgendein SEO-Artikel also who cares. Aber, Moment – nein, die Leute kümmert es. Die Frage wird nun mal gestellt und es gibt Menschen, die ihre Texte daraufhin für Suchmaschinen optimieren. Egal, worüber sich Menschen heute Gedanken machen: sei es der Farbkrieg in den Kleiderschränken oder blöde Kommentare über die Haarlängen unserer Kinder – das System ist binär und soll so bleiben. Ich reg mich also doch wieder auf.
Jungs basteln nicht und hassen alle Farben außer blau, schlamm und beige
Kurz nach der Wiedereröffnung der Läden in diesem Land war ich einkaufen. Ich brauchte Bodys mit kurzen Ärmeln. Der Laden war recht groß, Teile davon also abgesperrt. Ich fragte eine Mitarbeiterin um Hilfe und sie brachte mir einen Stapel Bodys aus der eigentlich noch geschlossenen Kinderabteilung, „Jetzt haben Sie mir leider gar nicht gesagt, ob Junge oder Mädchen!“ „Ach, ich bin farbflexibel“, war meine Antwort und ich freute mich sehr sehr, weil ich wette: Hätte ich vorher Bescheid gegeben, dass ich einem Sohn die Mutter bin, hätte ich vielleicht auf die rosa Blumen gut verzichten können, aber mir wären auch die gelben Bodys durch die Lappen gegangen. Ich hätte dagestanden mit einem Haufen Bodys in blau, blau gestreift, weiß mit blauen Ankern, taupe, hellblau und braun.
Mir will nicht in den Kopf, warum Mädchen das Monopol auf Blumen und Jungs auf Maritimitäten haben sollen. Weil Jungs Blumen hassen und Mädchen zu dumm sind, einen Kompass zu lesen? What the fuck. Noch lange (lange lange) bevor sich ein Kind darüber klar werden kann, wer es einmal sein wird, sein will, wen oder was es lieben wird, entscheidet eine Industrie, welche Farbe besser zu welchem Geschlechtsteil passt. Und das ist nur der Anfang.
Natürlich ist das nur fürs Produktmarketing logisch
Obwohl wir in einer Welt leben, in der Männer augenscheinlich in der Überzahl sind, wenn es um Macht, Geld und Karriere geht, und damit auch mehr Männer erfolgreich sind als Künstler, Musiker oder Autoren; wird kleinen Jungs abgesprochen, überhaupt auch nur den Hauch eines Interesses für Sinnliches zu haben. Basteln für Jungs – heikles Thema. Das wollen die doch gar nicht. Das braucht keine Mutti (und auch kein Vati, ok) auch nur versuchen – die können das gar nicht. Außer ihr bastelt einen Darth Vader-Helm. Klar wissen die meisten, dass das ein einziger Marketing-Scam ist. Es gibt trotzdem genug Eltern, denen das egal ist, ungeachtet der Tatsache, dass die kleinen Einschränkungen große Auswirkungen haben.
Und es gibt genügend Menschen, die es immer noch schlimm finden, wenn eine schwangere Frau ihnen das Geschlecht nicht erzählen möchte, weil sie dann nicht wissen, was sie schenken sollen. Es ist aber auch wirklich schwer geworden, einfach ein gelbes T-Shirt zu kaufen, auf dem kein Aufdruck ist.
Welchen Normen wir gesellschaftlich entsprechen entscheidet sich durch frühe Zuschreibungen
Als ich schwanger war, traf ich an einem Nachmittag eine ebenfalls schwangere Bekannte – es sollte ihr zweites werden. Ihr großer Sohn kam immer wieder zum Tisch und wollte, dass wir lieber mit ihm spielen, anstatt langweilig zu sein. Ich machte ihm den Vorschlag, sich zu uns zu setzen und zu malen. Aber noch bevor er etwas erwidern konnte, winkte die Bekannte ab mit den Worten: „Das wirst du schon noch sehen, falls du auch einen bekommst – der ist ein Junge, der malt nicht.“
Ich kenne sehr viele Jungs, die sehr gerne malen. Hatte ich ihr nicht gesagt. Weil: Ich bin noch keine Mutter, sie schon. Sie wird ihr Kind kennen, ich kenne es nicht. Also, mag sein, dass ihr Sohn nicht gerne malt. Mag sein, dass viele Jungs nicht gerne malen (viele Mädchen malen auch nicht gerne). Kann aber auch sein, dass vielen Jungs viele Chancen genommen werden, selbst zu erkunden, was sie mögen und was nicht. Weil es ihnen einfach niemand anbietet. Genauso, wie vielen Mädchen viele Möglichkeiten genommen werden. „Nein, Mareike, Kompasse sind nichts für dich – hier, du darfst ein Bild malen.“
Mareike weiß 15 Jahre später nicht, welchen Beruf sie erlernen will. Beim Girls Day war sie immer einfach im Kindergarten. Ohne Witz, in meiner Schulzeit war die Hälfte aller Mädchen wirklich dort, während die Jungs zu Recht beleidigt waren, dass sie zur Schule gehen mussten. Also studiert sie eben Deutsch auf Lehramt, weil wegen Achselzuck-Emotikon. Ich hab selbst Germanistik studiert, ich kenn ja meine Kommilitoninnen (Achselzuck-Emotikon).
Ich möchte das lieber so handhaben:
Mal gucken, was passiert, wenn ich einfach alles anbiete. Ich versuche, vorurteilsfrei zu schauen, worauf der Sohn gerade besonders anspringt. Und deswegen biete ich auch viel an (ohne mich jetzt völlig aufzureiben, ich bin keine Pädagogin und ich lese keine 10 Meter Fachliteratur). Ist vielleicht ein Bauchgefühl, aber da höre ich mal drauf: Wenn er jetzt von der Betreuung nach Hause kommt, möchte ich mit ihm Zeit verbringen – um aufzutanken (beide). Marcus und ich wechseln uns tageweise ab und ich bereite an meinem Caretag gerne was vor. Zum Malen, zum Basteln, zum Kleben, zum Spielen – you name it.
Das ist das Ding: Alles, was ich ausprobiere, soll auf einem völligen low level funktionieren. Dafür habe ich kein Problem damit, wenn danach ein bisschen Sauerei herrscht (außerdem ist Marcus bei uns derjenige, der immer saugt).
Zuletzt also meine absolut genderneutrale Nachmittags-Sauerei: