Oh Gott, Einbrecher, dachte ich. Die Schubladen vom Buffet im Flur standen offen, die Schranktüren im Esszimmer geöffnet, auf dem Tisch ein Haufen Zeug. Ich legte meinen Beutel auf die Bank im Flur und in meinem Hirn prozessierte es intensiv – da guckte Marcus um die Ecke. Er strahlte mich an: Ich befestige die Regale.
Wir haben ca. 2,3 m hohe Regale im Wohnzimmer und obwohl die stabil wirken, wackelt der Junge manchmal so daran, dass uns ganz schwindelig wird. Die Regale mit ein paar Winkeln mal an der Wand zu befestigen ist so eine Sache aus der Kategorie „Müssten wir endlich mal“, so wie das Gefrierfach abtauen.
Erwähnenswert ist diese kleine Episode eigentlich nur deswegen, weil ich mich noch ungefähr 10 Minuten davor geärgert hatte, dass ich schon wieder eine Aufgabe übernehme, die eigentlich auf Marcus‘ Liste steht – die aber offenbar nur in meinem Gehirn präsent genug ist, dass ich dann doch einfach mache, nämlich: Bei der Kinderärztin einen Termin für die zweite Masernimpfung vereinbaren. Da reg ich mich noch auf, da komm ich heim, will ihm was erzählen (wie ich nun schon wieder und so weiter), da ist er dabei etwas zu tun, auf das ich persönlich ganz bestimmt manchmal ein bisschen gedacht aber in Wirklichkeit ganz sicher überhaupt kein Bock drauf gehabt habe. Es steht 1:1.
Halte ich zu verbissen am Mental Load-Thema fest?
Das hielt mich dennoch nicht davon ab, ihm einen Tag später unter die Nase zu reiben, wie ich das ja mit dem Arzttermin nun einfach gemacht habe. Allerdings mit dem Zusatz, dass ich nicht mehr genau weiß, ob es wirklich seine Aufgabe gewesen ist oder nicht. Einig sind wir uns darin, dass er die Arztbesuche übernimmt und ich finde logisch, dass er dann die Termine ausmacht (meist bekommt er sie ja sowieso direkt in der Praxis).
Bin ich verkrampft? Mal ganz ehrlich, mir macht das keinen Spaß, so wahnsinnig darauf fokussiert zu sein, wer an was wieviel denkt und wer wieviel vom Gedachten auch umsetzt.
Ich erwische mich dabei, wie ich mehr im Haushalt machen will, just to prove a point.
Zugegeben, es bleibt bei dem Gedanken. Unsere Wohnung versinkt jetzt, seitdem der Junge bis nachmittags in Betreuung ist, erst so richtig im Chaos. Wir arbeiten beide, Zimmer an Zimmer, und es macht uns sehr froh.
In Ruhe Arbeiten ist ein bisschen geil
Hausarbeit ist sehr ungeil. Wir beschränken uns auf das wirklich Nötige: Küche aufräumen, kochen, einkaufen gehen, bisschen aufräumen, Wäsche waschen, Wäsche zusammenlegen. Der Junge hinterlässt momentan gerne Spuren: Er malt alles (alles!) an. Ich habe riesige Pappen aus alten Kartons zurechtgeschnitten, sie liegen einladend auf dem Wohnzimmerboden. Aber er malt einfach alles andere an. Er läuft laut singend durch die Wohnung, kritzelt aufs Laminat, auf den Hocker, auf den kleinen Tisch, den großen Tisch, die Küchenfliesen, die Kinderküche, das Regal, das andere Regal, das nächste Regal und dann zeigt er uns den Stift und ruft „bau!“ (alle Stifte sind „bau“ bei ihm). Die Farbe dieser Stifte ist abwischbar, deswegen sind wir entspannt. Soll er sich austoben, diese Phase geht auch vorüber. Allein: Das mit dem Abwischen ist gerade so unsere Krux. Es herrscht unsere übliche Grundordnung plus Krümel, nur jetzt kommen eben diese Spuren dazu.
Im Juni nehmen wir das sicher in Angriff. Mal sehen, wer zuerst die Initiative ergreift. Daran gedacht haben wir jedenfalls beide schon. Es war schon mal Thema (so am Rande, neben übelst busy sein und in Ruhe Arbeiten).
Hände hoch wer außer uns noch im Chaos versinkt! Und: Sind wir die einzigen, denen es schwerfällt, sich wieder neu einzurichten? Jetzt, wo wir uns alle wieder nach und nach einrichten dürfen?