Eine Freundin teilte neulich ein paar sehr schöne Meditationen für die Schwangerschaft mit mir. Zum Entspannen und zum Loslassen. Gestern Abend lag ich im Bett und hörte mir die erste dieser Übungen an: pulsierende Meditationsmusik, eine unaufdringliche anleitende Stimme und die Aufforderung, sich einen schönen Ort vorzustellen. Ich liebe solche Dinge. Durch die Musik getragen (ein Rauschen plötzlich, sich aufbäumende Töne, die wieder abklingen) war ich direkt am Strand. Aber ich war nicht nur am Strand. Ich lief durch Dünen, Grasbüschel in Sandhügel, irgendwo (nicht sichtbar aber deutlich zu hören) das Meer. Meine Gedanken wanderten weiter und zack: war ich in der 7. Klasse auf Klassenfahrt und musste für irgendeinen dämlichen „Weltrekord“ sinnlos mit dem Fahrrad auf der Insel Borkum hin und her fahren. Mann war das zum kotzen.
Die Einleitung macht Sinn, keine Sorge
Dann wieder die Stimme im Ohr: Dies ist der Ort, an den du nun immer wieder zurückkehren wirst im Laufe deiner Schwangerschaft. Yay.
Das erste Trimester dieser neuen Schwangerschaft verlief in etwa so: Zaghafte, verhaltene Freude, gepaart mit Angst und unangenehmen Diagnosen. Groß war die Angst vor einem erneuten Abgang. Ich machte mir Gedanken darüber, ob ich mich gerade aktiv dazu entscheide, mich nicht zu freuen oder ob ich mich einfach nicht freue oder ob ich es nicht mehr kann. Es kam mir unendlich gemein vor, dem kleinen Baby gegenüber. Ich wartete fast eine Woche, bevor ich überhaupt bei meiner Hebamme anrief, weil ich mit einer Blutung rechnete.
So ist diese Schwangerschaft in den ersten Wochen und Monaten wie die Klassenfahrt auf Borkum: Schon schön, aber mit Geschmäckle.
Bevor ich es wusste, überlegte ich tagelang, ob dieses seltsame Summen im Unterleib etwas zu bedeuten hatte. Es zog und es zwickte und es summte. Ich will nicht poetisch klingen, es fühlte sich wirklich an, als wäre eine kleine Biene in meinem Bauch. Ich machte einen Test: positiv. Ich war überrascht. Und skeptisch. So nüchtern habe ich noch keine meiner Schwangerschaften begrüßt. Die letzte ist ja auch noch nicht lange her. Ich überlegte, wie ich es Marcus sagen sollte. Der glaubt mir das doch nie im Leben. Also gab ich den Test dem Jungen und sagte ihm, er solle das mal dem Papa bringen, der freut sich bestimmt. Tut er das?
„Wo hast du denn das Thermometer her?“
Okay, das hat nicht geklappt. Ich so: „Das ist kein Thermometer, guck mal richtig.“ Er so: nichts. Genauso verhalten wie ich. Unromantisch kann also eine neue Schwangerschaft auch starten. Aber der Hunger kommt ja beim Essen, heißt es. Irgendwie wurden wir aber einfach nicht hungrig. Ich war auch nicht weinerlich oder fühlte mich ängstlich. Ich dachte einfach: Ich mache jetzt keine dollen Änderungen in meinen Plänen, sonst habe ich einfach nur Zeit vergeudet. Ich fühlte mich leer und das fühlte sich unfair an.
Das arme Baby hat jetzt schon eine völlig kalte Sophie zur Mutter
Wir freuen uns nicht nicht. Wir trauen dem Braten nur erstmal nicht. Wann ist der da reingekommen, in die Röhre, und viel wichtiger: wird er gar? Okay, geschmackloser kann eine Schwangerschaftsmetapher nicht werden. Das liegt an der Distanz, die wir zu diesem anderen Umstand aufgebaut hatten. Die schützte uns vor der Enttäuschung, dachten wir vielleicht. Dabei hatten wir ja nicht beschlossen: So, jetzt freuen wir uns mal die nächsten 8 Wochen ganz dolle nicht. Es stellt sich einfach keine Euphorie ein und das ist auch okay. Es geht gerade nur so.
Das Baby indes verschaffte sich Gehör
Wenn Mama und Papa so seltsam drauf sind, dachte sich die Biene, dann summe ich jetzt einfach lauter. Und ich spürte viel deutlicher als beim letzten Mal die Mutterbänder, wie sie zogen. Ich spürte, wie es warm wurde in der Gebärmutter. Und dann veränderte sich mein Geruchssinn. Dann kam die Übelkeit. Und da wusste ich: Alles im grünen Bereich. Es wurde besser. Und dann mussten wir antreten zur Borkum‘schen Version der Bundesjugendspiele:
Mit meiner Hebamme verabredete ich wieder, den HOMA-Index zu messen. Wenn alles glatt läuft, möchte ich das Kind dieses Mal Zuhause bekommen. Dafür sollte natürlich kein Risiko vorliegen. Und weil Schwangerschaftsdiabetes ein Risiko ist, dem ich vorgebeugen kann, habe ich diesen Test gemacht. Der HOMA zeigt die Wahrscheinlichkeit einer Insulinresistenz auf. Und die wiederum ist quasi die Vorstufe zum Diabetes und das wollen wir alle nicht.
Dem Risiko früh begegnen heißt aber auch: Sich frühzeitig einschränken
Denn klar wie Kloßbrühe habe ich einen erhöhten HOMA-Index. Natoll. Kein Weißmehl, keine Süßigkeiten, Adieu, Eiscreme zur Tagesschau, Tschüssi, Pizzabote. Dafür wieder mehr Bewegung und Vollkornspäße. Ich bin zwar nicht übergewichtig, aber meine Mutter hat Diabetes – insofern gehöre ich zur Risikogruppe. Außerdem möchte ich mein Baby auch nicht direkt auf meine ungesunden Essverhaltenweisen prägen, bevor es eigenständige Entscheidungen treffen kann.
Das macht alles Sinn und überhaupt keinen Spaß
Daneben befand ich mich in Behandlung im Blutgerinnungszentrum, weil ein Grund für habituelle Aborte eine Gerinnungsstörung sein kann. Obwohl ich dieses Mal auf die Feststellung der Schwangerschaft durch meine Gynäkologin verzichtete, fand ich mich doch ständig in Wartezimmern unter der Maske schwitzend wieder. Das Ergebnis dieser Ärztinnenrennerei: Alles ok, nichts, was Fehlgeburten auslöst. Aber: Ein Protein S-Mangel. Der wird erst wichtig, wenn ich ans Bett gefesselt werde, lange Flugreisen unternehme oder operiert werde. Dann brauche ich ein bisschen was, um einer Thrombose vorzubeugen. Gut zu wissen. Wieder sowas Praktisches, was die Medizin heute so rausfinden kann. Und ein bisschen beängstigend dann doch, wenn ich zu lange die Suchmaschinen bemühe.
So weht der Wind durch die Dünen, so tönt die Trillerpfeife in der Ferne
Die ersten Wochen der Schwangerschaft sind geprägt von diesen trägen Dingen, meinem Blutzuckertagesprofil (völlig unauffällig btw) und warten. Jeden Morgen warte ich auf die Übelkeit und freu mich wahnsinnig, wenn ich wieder würgen muss. Jedes Mal, wenn ich durch unseren Hausflur gehe, schüttelt es mich, weil es dort immer so stinkt. Und ich warte darauf, dass es mich schüttelt. Und ich warte auf den ersten großen Ultraschall! Ich warte auf Woche 12.
Seltsam in der Praxis: die Ruhe, keine Begleitpersonen, keine Kinder
Die leergeräumte Spielecke, das Absperrband vorm Tresen. Ich durfte aber Marcus und den Jungen reinholen, als es zum Ultraschall ging. Solange warteten die beiden im Flur vor der Praxis. Ich war so zittrig, wie lange nicht, als ich mich auf die Liege legte und ich hatte meine Brille auf, diesmal. Irgendwie erwartete ich, wieder nichts erkennen zu können.
Aber ich sah alles: Den Kopf, den Körper, die Beine, die Arme, den Bauch und ja: Das Herz! Und es schlug! Ich konnte es sehen. Und so wandern wir weiter ins zweite Trimester. Mal sehen, was sich hinter der nächsten Düne befindet.