Heute habe ich beim Telefonieren mit meiner Zahnärztin angefangen zu heulen, weil sie mich ermahnt hat, nicht wieder den Termin zu vergessen.
Neulich: Ich bin so in Gedanken, dass ich zum Hefeteig kneten anstelle der Knethaken Rührhaken in den Mixer gesteckt habe. Der Teig schlingert sich hoch bis ans Plastikgehäuse und gräbt sich in die Löcher für die Rührhaken ein, die fallen raus. Ich wusste nicht, dass das geht. Mit einem Zahnstocher pule ich den Teig aus den Löchern und stecke die Haken einfach wieder rein und probiere es nochmal. Ich merke das gar nicht. Ich merke nicht, dass das die falschen Haken sind. Als sich die Teigwanderung wiederholt, versuche ich, den Teig von den Haken zu ziehen. Es geht nur sehr schwer und weil das mit Rührteig geht, schlage ich das Gerät gegen den Rand der Schüssel. Der Teig ist zu zäh. Ich schlage fester. Marcus fragt, ob er denn mal … n e i n ich weiß es besser.
Ich schlage immer und immer wieder den kompletten Mixer auf die Arbeitsplatte, bis das Gehäuse zerbricht
Meine Laune war gut, nicht super, aber ich war ruhig und fühlte meine Zunge am Gaumen, konnte ruhig durch die Nase atmen und meine Füße waren warm. Und plötzlich ging gar nichts mehr. Ich wüsste nicht, was ich mein inneres Kind fragen sollte. Ich weiß nur: Nichts geht mehr.
Heute dann: Eineinhalb Stunden Mittagsruhe
Eineinhalb Stunden Mittagsruhe, in der Marcus mit dem Jungen ein Nickerchen macht und ich arbeite eine To-Do-Liste ab. Auf der stehen Dinge, die ich schon lange vor mir herschiebe (oder gar nicht lange, aber gestern ist relativ). Ich fülle Formblätter aus, Anträge, scanne, lade hoch, schreibe E-Mails. Und dann rufe ich bei meiner Zahnärztin an. Als ich den Termin vergaß, hatten wir gerade vom erneuten Lockdown erfahren. In der Woche hatten wir bereits keine Betreuung mehr, weil unser Tagesvater krank war und dann das: wie organisieren wir die Zeit bis Weihnachten? Wie danach? Wir haben doch Verpflichtungen, Termine, Deadlines.
Staubsaugen wird wieder zum Reizthema, ich fühle mich gegängelt, wenn ich mich morgens noch beim ersten Kaffee beeilen soll. Warum haben wir schon wieder keine sauberen Bodys und warum gibt es seit zwei Wochen in keinem einzigen Supermarkt der Umgebung noch Puderzucker? Ich. Will. Kokosmakronen.
Wenn Marcus nicht wäre, würde unsere Katze verhungern und in die ungewaschene Wäsche kacken
Wenn ich nicht wäre, würden er und der Junge sich ausschließlich von Bockwurst ernähren. Wäre Marcus nicht, würde der Junge seltener baden und weniger lesen. Ohne mich hätte das Kind keine passenden Strumpfhosen, aber eine überquellende Kommode voll mit Kleidung in Größe 68.
Es ist gut, dass wir beide zuhause sind. Es ist gut, dass wir uns gegenseitig daran erinnern, dass wir beide da sind. Ich versuche mich zu organisieren, indem ich alles aufschreibe (auch, wie wir uns organisieren). Ich wechsele die Tonalität von frustriert zu motiviert, das gleicht der alten Übung, einfach mal 30 Sekunden lang in den Spiegel zu grinsen um sein Hirn auszutricksen. Für ein bisschen bessere Laune. Ich mache es öffentlich, damit ich es mache.
Es ändert nichts am Workload, der nicht zu bewältigen ist. 80% sind grad nicht drin (ich finde, ich mache meine Sache trotzdem gut) (und Marcus auch). Aber jede angefangene Aufgabe, die ich abbrechen muss, macht mich wahnsinnig. Ich kann kaum etwas abhaken, meine innere Liste füllt sich mit Formulierungen, die das zu-Ende-bringen betrifft. Es ist eine Unruhe in meinem Gehirn. Ich versuche zu lesen, kann aber dann doch wieder nur was schreiben. Weil ich mich nicht konzentrieren kann, wenn ich meine Gedanken nicht sehe. Ich mache mir heimlich Vorwürfe, dass ich zu viel will. Ich sollte nicht so viel wollen. Warum will ich denn unbedingt Kokosmakronen machen? Warum muss es denn unbedingt jetzt sein, dass ich noch eine Babydecke stricke? Reicht es nicht, sich jetzt nur um das Wesentliche zu kümmern?
Nein
Ich mag Kokosmakronen und Kokosmakronen machen mein Leben schöner. Ich tauche sie zur Hälfte in Schokolade und dann esse ich sie und trinke dazu Kaffee mit Milchschaum.
Ich mag die Farben der Wolle, die ich gekauft hab und ich mag, wie sie sich an meinen Fingern anfühlt. Ich mag das regelmäßige Muster, das erscheint und ich mag es, zwischendurch mein Gesicht in das gestrickte Stück zu drücken. Ich mag, wie ich die Bambusnadeln aneinander klacken lassen kann, wie sie umeinander gleiten.
Das ist kein maternal gatekeeping, das ist wesentlich
Meine Zahnärztin neigt zu Standpauken. Ob es darum geht, Zahnseide zu benutzen oder sich einen Termin in einen Kalender einzutragen: Sie führt streng und ausführlich aus, warum es wichtig ist für ihre Praxisorganisation, dass alle ihre Termine einhalten. Heute konnte ich damit nicht umgehen. Nicht noch eine Belehrung. Erst habe ich nicht aufgepasst, dass die Katze nicht den Schinken vom Brot klaut, während ich gewickelt habe. Dann sollte ich mich beeilen, eine Einkaufsliste zu schreiben (für die Feiertage, für wann essen wir was) mit dem Hinweis auf: Wir haben nicht viel Zeit zum Einkaufen! Aber wann sonst hätte ich denn das Essen planen sollen? Als ich meine Rechnungen geschrieben habe oder als ich die Wäsche gewaschen habe?
Wir kaufen also nur den Standard, den wir immer einkaufen und Puderzucker gibt es immer noch nicht.
Aus dem Hefeteig hatte ich noch Zimtschnecken gebacken, neulich. Und kürzlich habe ich mir von den Nachbarn einen Mixer ausgeliehen. Ich gehe pfleglich damit um: Unbenutzt steht er in seinem Karton auf dem Küchenbuffet.
Jetzt ist es Abend. Ich sitze auf dem Sofa und anstatt zu lesen, zu backen, zu stricken oder Weihnachtsgeschenke einzupacken hoffe ich, dass der Junge nicht nach mir ruft und schreibe alles auf. Ich will das Jahr nicht vor Silvester loben. Aber wer will dieses Jahr schon loben.
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Deine Liste auszudünnen kann trotzdem helfen. Obs nun Kokosmakronen oder der Wohnungsputz ist – eigentlich egal. Aber Deine eigenen Erwartungen an Dich selbst solltest Du runter schrauben. Es geht eben nicht alles.
Schon und da nun ja sowieso kein Besuch kommt, trifft es eben den Wohnungsputz.